Schwerter zu Pflugscharen - Lanzenspitzen zu
Rebmessern. Auf dem Wege zur großen Konversion
Predigt von Friedrich Schorlemmer zur Eröffnung der
30. Ökumenischen FriedensDekade 2010 am 7.11.2010
in der Friedenskirche, Nürnberg
Dieser Hoffnungstext mit konkreter Handlungsrelevanz gehört zum globalen Vermächtnis der propheti-
schen Tradition. Im allgemeinen Bewusstsein ist ein Vers übrig geblieben: »Sie werden ihre Schwerter zu
Pflugscharen umschmieden.«
Diese Konzentration ist zugleich eine Verkürzung.
Schwerter werden »ZU Pfluqscharen«: Das wertvolle Eisen, diese knappe Ressource wird nicht mehr be-
nutzt werden, um zu töten und den Boden mit Blut zu tränken, sondern dient dazu, B rot ge t re i d e
aus der Erde hervorzubringen. Die Konversion soll endgültig sein, der ständige Wechsel von Kriegs- und
Friedenszeiten soll aufhören.
Und genauso sollen die Winzermesser immer Rebmesser bleiben, die den Wein schneiden und nicht zu
Spießen geschmiedet werden, um den Feinden in den Leib getrieben zu werden. Die W ein t rau ben
sollen gedeihen, guter Wein gekeltert werden können.
Brot statt Tod und Wein statt Blut.
Brot und Wein werden geheiligt, wo der Friede-Fürst sein SCHALOM-Mahl austeilt, mitten in der Macht-
weit des Augustus und Pi latus: »ln der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, danke, brachs, gabs
ihnen .... Danach nahm er den Wein, gab ihnen den und sprach [ ... ]«
Hier muss etwas eingefügt werden: ein folgenreicher, den Sinn der Friedensvision verstellender Überset-
zungsfehler Luthers. Er war eben nicht in einer Weingegend großgeworden, sondern mit Bier, jenem ge-
gorenen Hopfen-Gersten-Saft und in seinem Wittenberger Lebensumfeld wusste wohl kaum einer, was
ein Rebmesser ist.
Also hat er "Spieße zu Sicheln" übersetzt. Aber: es geht nicht um Kaninchenfutter, sondern um Wein-
trauben! Um Brot und Wein, das Nötige und das Fröhlichmachende, um die im Mahl geheiligten Elemen-
te.
Schauen Sie; das ist eine Sichel, dies ein Rebmesser ....
Micha kündet von einer Konversion, die nicht wieder zurückgenommen wird. Dazu gehört unabdingbar,
dass die Völker alle zusammenkommen, sie gelehrt werden und sich darüber belehren lassen, was es
heißt, »auf seinen Pfaden zu wandeln«.
Es geht um internationale Rechtsprechung, um das Recht aller!
Wenn kein Volk mehr gegen das andere das Schwert erhebt, brauchen auch die Völker keine Angst mehr
zu haben; und die Angst wird nicht wieder zur Rüstung führen.
~ Sie werden nicht mehr lernen, wie man Krieg führt, sondern lernen, wie man Frieden bewahrt: gemein-
same Sicherheit zu beidseitigem Vorteil!
Das Kriegshandwerk wird kein seriöses Handwerk mehr sein. Dazu gehört unabdingbar die Gerechtigkeit.
Wo jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnt und nicht der eine der Knecht des anderen
bleibt!
Das wird eine Zeit sein, in der die Angst begraben und ein Friedenslied, dieser visionäre Text als Friedens-
lied gesungen wird. "Ein jeder braucht sein' Brot, sein' Wein und Frieden ohne Furcht soll sein ... "
Es geht um die Hardware und um die Software des Friedens, um den Zusammenhang von Gerechtigkeit
und Frieden, von Lehre und Leben.
Es geht nicht bloß um die Abwesenheit von Krieg, sondern um glückendes Dasein, um SCHALOM - das
erfüllte, gesegnete, gerechte, umfassende Leben.
Das weltgeschichtlich bedeutsame Erbe der prophetischen Tradition lässt sich in diesem Text wiederfin-
den, nicht zuletzt in seinem universalistischen Grundton, der weder etwas Imperiales noch einen ideo-
logischen oder religiösen Alleinvertretungsanspruch enthält.
Wohl aber geht es um eine Verbindlichkeit, in der Schöpfer und Geschöpf und auch die Geschöpfe unter-
einander, auch mit der Natur im Einklang zu leben lernen. Insofern gehören die traditionell in die Weih-
nachtsliturgie gestellten Jesaja-Texte in die Friedenstradition als einer messianischen Tradition.
Sie haben mit ihrer kräftigen und zarten Poesie, mit ihrem Realitätssinn und ihrem Überschuss zeitüber-
greifende Faszination:
Das Volk, das im Finstern wandelt,
sieht ein großes Licht,
und über denen, die da wohnen im finstern Lande,
scheint es hell.
Im Namen dieses SCHALOM-GOTIES werden und sollen alle Völker auf diesem besonderen Berg zusam-
menkommen, um von dort Einsicht und Aussicht zu gewinnen.
Sie werden den fatalen Zyklus von Krieg und Frieden unterbrechen, den Krieg nicht mehr "notwendig"
nennen, weil keine andere Wahl bestünde.
Sie werden so den Weg vom Frieden zum Krieg sich selber versperren, aus Einsicht versperren, also nicht
laufend ihre Ressourcen für die Herstellung der Schwerter verbrauchen, die Ressourcen, die dann bei den
Pflugscharen fehlen, sondern alles tun, dass die menschliche Energie in Konstruktives einfließt:
in Pflugscharen, die Brot bringen, und in Winzermesser, die nötig sind, dass der Wein wächst und Frucht
trägt.
Um Brot und Wein geht es und nicht um Blut und Boden, nicht um Tod und Tränen.
Und es geht um den "gerechten Frieden",
der mit der Erkenntnis beginnt, dass es den "gerechten Krieg" nicht gibt. Die Lehre vom "gerechten
Krieg" kann zu leicht zur Irrlehre geraten, sowie diese Theorie immer nur wieder und wieder als Recht-
fertigungsideologie herhalten muß.
Die ultima ratio ist als ultima irratio zu entlarven! Denn Krieg verselbständigt sich, zerstört die Men-
schen, die ihn führen, ehe sie darin umkommen. Soldaten werden stumpf, abgestumpft und brutal,
in ein mörderisches Entweder-Oder im alternativlosen Überlebenskampf gegenüber dem Feind hineinge-
rissen. (Ich hab grad donnerstagabend einen Film mit Lebensberichten von Soldaten in Stalingrad gese-
hen. Die Geheimpapiere aus dem Irakkrieg wahrgenommen und wieder C.Wolfs .Kassandra" gelesen.)
Wir Mensaehen machen Krieg, um ein schwieriges Problem zu lösen, aber der Krieg wird sofort selbst I
zum Problem, das wir lösen wollten:
zu Unrecht, Leid, Zerstörung. Wir machen Krieg - aber alsbald macht der Krieg mit uns, was er will. Was
der Krieg verlangt, ist dem Argument des Friedens nicht mehr zugänglich. "Es gibt keine chirurgischen
Kriege", sagen uns nun die Strategen, die uns zuvor chirurgische Kriege versprochen hatten, und die zivi-
len Opfer sind dann eben bedauerliche Folgen des Krieges, die man nicht ausschließen kann. Der Begriff,
der so skrupellos versch leiert heißt "Kollatera lschaden" - auf deutsch:
Tödlicher Irrtum! So einfach gehen Verantwortliche darüber hinweg.
Wer Krieg anfängt, will Sieg. Er ist den Argumenten des Friedens nicht zugänglich, es sei denn, er ist der
Sieger, der dann einen Sieg - Frieden macht - oder in Kriegen verharrt, die zwar aussichtslos sind, aber
weiter geführt werden, weil durch Aufhören noch Schlimmeres zu befürchten sei. (Denken wir nur an das
selbstgeschaffene Dilemma des Afghanistankrieges. Wie lange soll das noch gehen? Mit welchem er-
reichbaren Ziel?) Das ist eben die Falle des Krieges ... Selbst ein "gerechter Verteidigungskrieg" gegen
einen grausigen Aggressor bringt schweres Leid über Unbeteiligte, selbst in der Reichsparteitagsstadt
Nürnberg.
Ein Blick zurück: Wir sind 1989/90 von unmittelbar möglicher militärischer Vernichtung befreit worden.
Seit Mitte der 70iger Jahre hatte sich in unseren Kirchen eine - vielfach noch kleine - Friedensbewe-
gung herausgebildet.
Es war die Liebe zum Leben und die Sorge ums Leben, die uns zusammenbrachte und aufstehen ließ,
entschlossen und fröhlich.
Es war eine geniale Idee, eine intelligente "List" des so friedlichen wie staatsunabhängigen Friedens-
"Kämpfers" Harald Brettschneider aus Dresden, die sowjetische Skulptur vor der UN mit dem Micha-
Wort zu verbinden, durch Textilgestaltung die Druckzensur zu umgehen. Prophetische Vision auf Vlies.
Wer sollte etwas dagegen haben können in "unserem Friedensstaat"- in dem freilich die Waffen der Gu-
ten als gute Waffen galten, die Waffen der Bösen als böse Waffen, bei großer Empörung über einen
Präsidenten, der die Führungsmacht des Menschheitsforschritts als "Reich des Bösen" ausgemacht hatte.
Da haben wir uns in Ost und West .dazwischenqeschmissen", Wir haben die Feindbilder nicht weiter
mitgezimmert und jeder hat sich in seinem Bereich gegen die so gefährliche neue Runde atomaren Wett
rüstens gewandt. Viele haben sich mit unserer ganzen Existenz dagegengestellt - ohne freilich die Exis-
tenz anderer zu gefährden.
"Dein Feind braucht Frieden" - "Entrüstet euch!" - "Stell dir vor, es gibt Krieg und keiner geht hin."
Das Zeichen wurde für öffentlichen Gebrauch untersagt. Aber wir machten weiter, ost-westlich, block-
übergreifend denkend. Die 50fache Overkillkapazirät im Blick, auch den zum Himmel schreienden Hunger
von Millionen und die eklatante Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Engagierte Christen machten schließlich auch ihre Kirchen zu (zögerlichen) Bannerträgern des Friedens.
Frieden und Entfaltungsfreiheit ließen sich nicht trennen. Daß es 1989 so friedlich zum demokratischen
Auf- und Umbruch kommen konnte, war nicht zuletzt eine Frucht der Friedensbewegung.
Beim Umschmieden im Lutherhof zu Kirchentag 1983 habe ich eine Konversionsversion gelesen - unter
den Hammerschlägen des Schmiedes vor hunderten, meist jungen Menschen.
Wenn wir umbauen
die Raketenmäntel
zu Wasserbehältern
die Zerstörer
zu Passagierdampfern
die Kampf-
zu Rettungshubschraubern.
Wenn wir umdenken
die Feinde in Partner
die Macht in Verantwortung.
Wenn wir umsetzen
die Worte in Taten
die Träume in Wirklichkeit
Dann können wir auch
auf das geschundene Wort FRIEDEN
verzichten.
Das biblische Äquivalent für Konversion ist Umkehr, auch als Um-Denken übersetzbar. So ist Versöhnung
auch Konversion.
Ich habe einen Titan-Spaten mitgebracht, gefertigt aus dem Mantel einer verschrotteten Rakete.
Das ist Konversion konkret, Verwandlung eines verheerenden Vernichtungswerkzeugs in ein Instrument
der Bodenbearbeitung - dass aus der Erde wachse, was wir zum Leben brauchen, statt dass alles Leben
zerstört wird. Dem ging ein menschlich bewegender Vorgang voraus:
Fritz Wittmann - ein Mann aus der Nähe Nürnbergs - sagt, dass er sein Überleben als deutscher Kriegs-
gefangener in Russland der Fürsorge russischer Mütter für den damals 23jährigen deutschen Soldaten
verdankt. Und so hat er seit der Gorbatschowzeit Kontakte dorthin geknüpft und unterstützt Friedensini-
tiativen und soziale Projekte im heutigen Russland. Einen seiner Titan- Spaten hat er mir vor 15 Jahren
geschenkt.
Darauf steht: Ljubov I Liebe
Mir I Friede
Sch isn I Leben
Seine Versöhnungsarbeit ist in Erlangen gewürdigt worden- und sie geht weiter, sagte mir vorgestern der
nun 83-jährige Wittmann am Telefon.
Frieden wird nicht von allein. Er muß gestiftet werden.
Er braucht Subjekte, die für ihn eintreten.
Man kann durch Handeln wie durch Nichthandeln schuldig werden. Wissendes und gewissengesteuertes
Handeln macht weniger schuldig, aber nicht unschuldig.
Der teuflische Pferdefuß verbirgt sich unter dem Kleid geschickter Argumentationsketten, die Friedens-
aktivisten eine realitätsferne Blauäugigkeit und - zynisch - .Gutmenschentum" unterstellen - ohne sei-
ber etwas zu tun. Dass es auch realitätsresistente Blauäugigkeit gibt, ist unbestreitbar, wo eben Wunsch
und Wirklichkeit zu leicht verwechselt werden. Doch ohne einen Schuss Naivität läuft nichts. Kalt-
schnäuzige Realisten ohne eingreifende Aktivitäten qibt's schon zu viele, jene superschlauen Igel am
Feldrand.
Wer Pazifist ist, also Friedens - Macher, wird sich genaue Kenntnis darüber verschaffen müssen, wie viele
Ursachen und Gründe zum Kriege führen, warum aus Konflikten zerstörerische Kriege werden und warum
auch Friedensfreunde nicht vor Fanatismus gefeit sind.
Konflikte gibt es, wird es geben, auch große, aber wir Menschen müssen es bei Strafe unseres Untergangs
für möglich halten, dass wir Frieden halten, zivilisatorische Konfliktlösungsstrategien finden können, was
heißt, dass wir den anderen leben, ihm seinen Lebensraum, seinen Entfaltungs- und Gestaltungsraum
lassen.
Oft können einzelne Menschen, Menschengruppen und Völker, nicht miteinander, sondern bestenfalls
nebeneinander leben.
Wer Frieden machen will, muss einen realistischen Blick für das haben, was wir nicht machen können;
und dass manche eben einfach nicht miteinander können!
Gleichzeitig braucht der Pazifist, der Friedens-Macher, eine Vision vom Frieden, einen Traum vom Frie-
den. Träumer brauchen Macher und die Macher die Träumer.
Ich schlage vor,
Seite für Seite das Buch des Friedens aufzuschlagen.
Darin stehen gewichtige Worte gewichtiger Denker und Dichter als Vor-Worte:
"Es gibt keinen Weg zum Frieden. Der Friede ist der Weg."
M.L.King
"Glücklich zu nennen sind de, die Frieden machen und friedfertig sind.
Jesus aus Nazareth
"Äußerer Friede nutzt nichts ohne inneren Frieden."
Mahatma Ghandi
"Wenn man Frieden will, muß man immer der sein, der zuerst die Hand reicht."
Izchak Rabin
Alle vier setzten ihr Leben ein für den Frieden und bleiben uns ermutigende Vorbilder. Der Friedensnobel-
preisträger Willy Brandt erinnerte an Alfred Nobel, der sein Vermächtnis nicht den Machern, sondern den
Träumern widmete.
"Friede ist nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts." Also braucht es den ganzen Einsatz von uns al-
len, aus Liebe zum Leben.
Neben aller Verirrung und Verwirrung der Theologen und Kirchenführer der Jahrhunderte gibt es deutli-
che Friedensapostel, die suchen, was dem Frieden Christi dient und entspricht. Ich nenne Benedikt den
XV., der mitten in allem nationalistisch-kriegerischen Rausch Europas schon 1915 sagte:
"Krieg ist grauenhafte Schlächterei."
Dietrich Bonhoeffer sah bereits 1934 den großen Krieg über die Welt kommen und rief zu einem alich-
ristliehen Friedenskonzil:
Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, daß die
Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muß und daß die Völker froh werden, weil diese
Kirche Christi ihren Söhne im Namen Christi die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet
und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt.
"Wir wollen reden zu dieser Welt, kein halbes, sondern ein ganzes Wort, ein mutiges Wort, ein christliches
Wort. Wir wollen beten, daß uns dieses Wort gegeben werde - heute noch - wer weiß, ob wir uns im
nächsten Jahr noch wiederfinden?"
Johannes Pauill. redete den Diplomaten der Welt im Januar 2003 vor dem Irakkrieg ins Gewissen:
"Krieg ist niemals unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit."
Martin Luther, der noch in den Augustin'schen Kategorien vom gerechten Krieg gefangen war, mahnte
dennoch sehr klar:
"Das will ich vor allen Dingen zuvor gesagt haben: Wer Krieg anfängt, der ist im Unrecht. Und es ist billig,
daß der geschlagen oder doch zuletzt gestraft werde, der zuerst das Messer zückt. ... Denn weltliche Obrig- keit ist nicht von Gott eingesetzt, daß sie Frieden brechen und Kriege anfangen solle, sondern dazu, daß sie
den Frieden handhabe und den Kriegern wehre ...
"Wer zwei Kühe hat, soll eine darum geben, nur dass der Friede erhalten werde. Es ist besser, eine im guten
Frieden als zwei im Krieg zu besitzen."
"Der Friede kann dir helfen, dass dir ein Bissen trocken Brots wie Zucker schmeckt und ein Trunk Wasser
wie Malvasier."
Da ist es wieder: Das Brot und der Wein,
der Friede und die Freude.
Also nun das Buch des Friedens mit nur 5 Seiten in Großdruck:
Seite 1
Der Frieden ist der Ernstfall - also geh unverdrossen den langen Weg gehen zum Hause des (verfeinde-
ten, unbelehrbaren, gefährlichen) Nachbarn. Das Wagnis eingehen, die Hand zu reichen. Im Feind den
Gegner suchen und ansprechen. Die Mit- Kreatur!
Seite 2
Präventiv handeln. Wenn erst einmal Gewalt und Mord (und sei es staatlich angeordneter) befohlen
wird, werden Kräfte im Menschen freigesetzt, über die sein Wille dann kaum noch Herr wird. Ganz so,
wie bei Kain, als sein Blick sich verfinsterte und er sich in sich verkrümmt und nur noch hinterhältige
Gedanken der Vernichtung hatte.
Also: si vis pacem, para pacem! Wenn du Frieden willst, bereite den Frieden vor.
Dieser Satz hat den Jahrtausende alten programmatischen Widerpart:
Si vis pacem, para bellum - Wenn du den Frieden willst, so bereite den Krieg vor!
Konkret hieß das vor dreißig Jahren aus dem Munde des Oberbefehlshabers Erich Honecker: Auf jeden
Angriff jedes Gegners gefasst sein und zu versuchen, ihn auf dessen Territorium vernichtend zu schlagen.
Da galt die ironisch formulierte Maxime:
Mein Gegner plant meinen Widerstand
wie soll ich seinem Plan begegnen?
Gewalt führt nicht nur zu Gegengewalt, sondern sie nistet sich nach leidvoller Erfahrung ein - als Ver-
bitterung und (Vergeltungss-) Hass. Und Hass ist ein übertragbarer Virus. Wie schafft es der Gehasste,
nun selber nicht zu hassen?
Die größte Provokation, die Jesus ausgesprochen hat:
Tut wohl denen, die euch hassen.
Seite 3
Wir sind gefährdete Wesen. Permanent gefährdet.
Der Kulturbruch, den wir Deutschen mitten in der zivilisierten Welt zu verantworten haben, wird uns
immer anhaften, - ohne daß wir deshalb zu leugnen bräuchten oder minder bewerten müssten, was
Deutsche an künstlerisch-kulturellen, technischen, philosophisch-moralischen Leistungen in die Mensch-
heitsgeschichte eingebracht haben.
Seien wir immer auf der Hut. Jeder Mensch ist ein Abgrund. (Franz Kafka)
Seite 4
Friede ist mehr als das Schweigen von Waffen. Er impliziert die Freiheit der Entfaltung aller, die Rech-
te der Minderheiten wie die der Mehrheiten. Friede braucht Rechtstaatlichkeit. Friede braucht soziale
Gerechtigkeit. Friede braucht Respekt vor den jeweils anderen.
Seite 5
Friede beruht auf konfliktminimierenden personellen wie strukturellen Voraussetzungen.
Der Friede braucht Friedfertige und er braucht einen für alle verbindlichen zivilisatorischen Rechtsrah-
men.
Das Buch des Friedens von vorn nach hinten - und von hinten nach vorn blättern! Immer wieder.
Jeder. Jede.
Wir Christen wissen nicht nur nicht die Lösung aller Probleme. Schließlich sind wir selber Teil des Prob-
lems, als Teil dieser Welt.
Dennoch nenne ich vier konkrete Herausforderungen, verbunden mit Forderungen und Anforderungen an
uns selbst:
- Wir brauchen eine fächerübergreifende Friedenskunde und Friedenserziehung, wo z.B. im Konflikt-
training Erkennen (Wissen), Erkenntnis und Erfahrung zusammenlaufen. Wie wird gerechter Friede,
wie kommt soziale Gerechtigkeit, wie bleibt Natur in nachhaltiger Nutzung erhalten? Dazu gehört
das Einüben eines selbstkontrollierten Umgangs mit Medien, insbesondere mit gefühlsvergröbernden,
ressentimentschürenden, enthemmenden, Aufklärung behindernden wie Verblödung hinterlassenden,
alles eigenen Nachdenken zuschüttenden Medien und die Lust am Gebrauch der Vernunft - mit Ge-
fühl.
2.Wo allgemeine Wehrpflicht wegfällt. kommt wieder neu die Debatte um ein sozial-
ökologisches Pflicht jahr für alle auf. Helfend tätig werden an den nationalen und weltweiten
Brennpunkten, wo Lebenserfahrung und Sinnerfahrung im Erleben des Lebens derer, die unten sind,
zusammenkommen. Der soziale Friedensdienst wird keineswegs überflüssig, wo der Wehrdienst weg-
fällt.
- In der globalisierten Welt globalisiert sich unsere Mit-Verantwortung, auch die unserer Kirchen.
Neue Herausforderrungen brauchen neue Antworten. Die Kriterien und die Handlungsschritte für
einen "gerechten (Welt-)Frieden" sind so national wie international, so visionär wie pragmatisch
zu entwickeln. Beispielsweise sind streng an die Charta der UN gebundene, Gewalt eindämmende
Maßnahmen - notfalls auch mit Gewalt - friedensethisch neu zu bewerten - wie auch Maßnahmen
zur (Wieder-)Herstellung staatlicher Autorität mit dem Gewaltmonopol des Rechtsstaates, abge-
stimmt und entschlossen vorgehend gegen eine anarchisch-brutale Privatisierung von Gewalt ( nicht
power, sondern violence!) beim Zerfall gesamtstaatlicher Strukturen.
4. Die konstruktive Aufgabe geht prinzipiell der destruktiven voraus. Nur Destruktives wird destruiert
- oder noch besser: umgeformt, umgeschmiedet, umgedacht. Und das richtige Tun darf und muß
sodann weitergesagt werden.
Sag es weiter
Zeug das Kind
Pflanz den Baum
Bau das Haus
Zerbrich das Gewehr
Und
Sag es weiter
IAnhang:
Ich möchte ein Mensch des Friedens werden
Einfache Sätze zur Praxis im Alltag
habe ich für meine Patenkinder 1983 formuliert
Ich möchte so leben, dass auch andere Menschen leben können - neben mir - fern
von mir - nach mir,
Ich suche eine Gemeinschaft, in der ich verstanden bin, das offene Gespräch lerne,
Informationen bekomme und Stützung erfahre,
Ich suche das Gespräch mit Andersdenkenden, Ich bedenke die Fragen, die sie mir
stellen,
Ich möchte so leben, dass ich niemandem Angst mache,
Ich bitte darum, dass ich selber der Angst nicht unterliege,
Ich will mich von dem Frieden, der höher ist als alle Vernunft, zur Vernunft des Frie-
dens bringen lassen,
Ich suche Frieden in Mitten des Friedens, Deshalb wende ich nicht als erster Gewalt
an und versuche, den Gegenschlag zu vermeiden,
Ich vertraue unser Leben nicht weiter dem Schutz durch Waffen an, Darum werde
ich mich nicht an Waffen ausbilden lassen,
Ich bin bereit, um des Friedens willen lieber Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun, Vor-
würfe, Verdächtigungen und Nachteile nehme ich auf mich, Mein Weg wird nicht
leicht sein, Ich gehe ihn aber gewiss,
Ich entdecke an mir selbst Spannungen, Konflikte, Widersprüche, Ich bemühe mich,
diese nicht auf andere zu übertragen,
Ich setze meine Fähigkeiten und Kräfte für eine Gesellschaft ein, in der der Mensch
dem Menschen ein Helfer ist,
Ich lerne das Loslassen und werde gelassen,
Frieden stiften - friedfertig sein, das möchte ich lernen,
Ich denke täglich über ein Wort Jesu nach,
Darin finde ich meine .Nochtherberqen für die Wegwunden", (Nelly Sachs)